Was Lieferketten nachhaltig macht – und warum das wichtig ist.

June 28, 2021

Was Lieferketten nachhaltig macht – und warum das wichtig ist.


Was Lieferketten nachhaltig macht – und warum das wichtig ist.

Nahezu alle Produkte reisen, manche durch die halbe Welt. Und sie hinterlassen dabei notwendigerweise ebenso wie Menschen einen ökologischen Fußabdruck. Besonders hanebüchen ist der Fall der Nordseekrabben, die, wie der NDR berichtet, zu 90% 3.000 Kilometer entfernt in Marokko gepult werden. Um dann nach Deutschland, wo sich diese Arbeit offenbar nicht lohnt, zurückgeliefert zu werden. Das ist kaum nachhaltig, genauso wenig der Werdegang eines Discount-T-Shirts.
Doch was genau sind nachhaltige Lieferketten eigentlich? Die IHK München versucht sich an einer Definition: “Beim nachhaltigen Lieferkettenmanagement geht es um einen ganzheitlichen und systemischen Blick auf alle Stufen der Lieferkette – vom Direktlieferanten bis zur Rohstoffgewinnung. Das nachhaltige Lieferkettenmanagement ebnet den Weg, negative Umweltauswirkungen und Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden und so zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Das ist oft nicht einfach: Denn der Überblick über die gesamte Wertschöpfungskette bis zur Rohstoffgewinnung ist für Unternehmen herausfordernd. Das gilt noch vielmehr für die Frage, wo wesentliche Nachhaltigkeitsthemen und Handlungsfelder liegen und wie das Unternehmen Lieferanten zu mehr Nachhaltigkeit in ihren Produktionsprozessen bewegen kann.”

Wenn Lieferketten nicht nachhaltig sind

Wie das Beispiel Nordseekrabben zeigt, geht die Globalisierung mit einer weltweiten Arbeitsteilung einher, da Produktionskosten weltweit variieren, u. A. wegen des Lohngefälles, auch Energiekosten spielen eine Rolle. Mit zunehmender Distanz nimmt aber auch die Möglichkeit ab, den Zulieferern auf die Finger zu schauen und etwa Umwelt- und arbeitsrechtliche Standards zu überwachen, die jenseits der EU oft nur theoretisch gelten (das Verbot von Kinderarbeit z.B.). So kann man sich seiner Verantwortung als Unternehmen recht bequem entledigen.
Wohin diese Nonchalance, das “Nichtwissenwollen”, führen kann, verdeutlichte die Katastrophe von Karatschi am 11. September 2012, als in einer Fabrik, in der vor allem der deutsche Textil-Discounter KiK Jeans schneidern ließ, Feuer ausbrach, das mindestens 259 Menschen – vor allem Näherinnen – das Leben kostete. KiKs pakistanischer Subunternehmer hatte wichtige Fluchtwege verrammeln lassen, die Arbeitsbedingungen waren unmenschlich, die Hungerlöhne karg, gewerkschaftliche Organisation war verboten. Nur infolge großen politischen Drucks sah sich KiK gezwungen, die Angehörigen marginal zu entschädigen, berichtete das Manager Magazin. Noch verheerender war der Einsturz der Rana Plaza genannten achtstöckigen Textilfabrik in der Nähe der bangladeschischen Hauptstadt Dhaka am 24. September 2013, bei dem unvorstellbare 1135 Menschen ums Leben kamen und 2438 teils schwer verletzt wurden. “Als Grund für den Einsturz gelten Baupfusch, ignorierte Warnungen vor Rissen im Beton nur Stunden vor dem Zusammensturz”, hieß es im Tagesspiegel

KonsumentInnen belohnen Transparenz

Nötig ist also Transparenz, um Mensch und Umwelt zu schützen. Gleichzeitig wollen VerbraucherInnen auch immer genauer wissen, woher Produkte kommen und unter welchen Bedingungen sie entstehen. Ausweislich einer Studie des Capgemini Research Institute („Konsumgüter und Einzelhandel: Wie Nachhaltigkeit die Verbraucherpräferenzen grundlegend verändert“) aus dem Jahr 2020 zögern 58% der KonsumentInnen beim Kauf, wenn sie Unternehmen als nicht nachhaltig wahrnehmen. Positiv ausgedrückt: “Rund jeder zweite Verbraucher (48 Prozent in Deutschland, 53 Prozent international) wechselt zu weniger bekannten Marken, wenn diese nachhaltiger sind. Mehr als die Hälfte der Verbraucher (52 Prozent) geben an, dass sie eine emotionale Bindung an Produkte oder Organisationen haben, die sie als nachhaltig wahrnehmen.”

 

Schön und gut, aber was kostet das? Transparenz vollumfänglich bis ins letzte Lieferkettenglied herzustellen, ist nicht immer leicht, mit jedem weiteren Glied wird es schwieriger. Langfristig betrachtet ist es aber vermutlich günstiger, als den Status quo beizubehalten. Unternehmen scheuen eventuell Kosten, um ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) einzuhalten, doch hohe Schadensersatzforderungen und Reputationsschäden bei Nichteinhaltung (etwa dem Inferno in Karatschi) schlagen deutlich teurer zu Buche. 

Blockchain für die Lieferkette?

A propos Buch: Digitale Tools könnten die Transparenz befördern, etwa die aus dem Reich der Kryptowährungen bekannte Blockchain (“chain” heißt ja nichts Anderes als “Kette”). Die Blockchain ist eine Art digitales Grundbuch, in dem fälschungssicher und dezentral die Herstellungs- und Lieferschritte sämtlicher Subunternehmer mit Zeitstempel erfasst werden können. Diese Erfassung garantiert nicht, dass alles nach Vorschrift erfolgt, aber zumindest lassen sich über die Blockchain Verantwortlichkeiten im Nachhinein schnell ermitteln. Darüber hinaus können etwa auch der Einsatz von Cloud-Technologien, Data Analytics, digitale Tracking- und Nachhaltigkeits-Tools, Künstliche Intelligenz oder RPA (Robotic Process Automation, deutsch: Roboter-gestützte Prozessautomatisierung) bei der Transparenz und grundsätzlich bei der Einhaltung von ESG-Kriterien unterstützen, behauptet die Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG im im Januar 2021 erstellten Whitepaper “Die Supply Chain der Zukunft”. Welche “Lösungen gewählt werden, hängt vom jeweiligen Geschäftsmodell, dem digitalen Reifegrad des Unternehmens und vielen weiteren Faktoren ab”. 

Was können kleine und mittlere Unternehmen tun?

Nicht nur Großkonzernen sollte an nachhaltigen Lieferketten gelegen sein – aber diese können sich die Überprüfung eher leisten, sollte man denken. Tatsächlich können aber auch kleine und mittlere Unternehmen, die oft eine besonders starke Bindung sowohl zu ihren KundInnen als auch ihren Zulieferern haben, für Transparenz sorgen.  So können sie mittels eines CSR-Risiko-Check die ungefähre Lage vor Ort, abhängig von der Produktgattung, ermitteln. Außerdem erlaubt der KMU-Kompass, der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Entwicklung (BMWi), die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), aufgesetzt wurde, Risiken in Lieferketten zu identifizieren und Nachhaltigkeit in sozialer und ökologischer Hinsicht zu bewerten.

Lieferketten Sorgfalt Gesetz soll Mensch und Umwelt besser schützen

Bedarf es einer gesetzlichen Regelung der Lieferketten? Ja, befand am 11. Juni 2021 der Bundestag und verabschiedete das Lieferkettensorgfaltsgesetz, das große Unternehmen für Zustände bei ihren weltweiten Zulieferern stärker als bisher in die Pflicht nimmt und ab 2023 gilt. Es nimmt jedoch nur Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitern in die Pflicht, um kleinere Unternehmen nicht über Gebühr zu belasten. Ab 2024 sollen auch Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten einbezogen werden, was nach Angaben der Regierungskoaltion auf ca. 4.800 Firmen zutreffen würde. Der Gesetzentwurf sieht folgende Kernpunkte vor:

 

  • die Einhaltung von Menschenrechten,
  • Unternehmen sind verantwortlich für die Überprüfung der Zustände, sie müssen Beschwerdemöglichkeiten schaffen und über ihre Aktivitäten Bericht erstatten,
  • das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle überprüft die Einhaltung des Gesetzes, Betroffene von Menschenrechtsverletzungen, 
  • hohe Bußgelder bei Verstößen von bis zu zwei Prozent des jährlichen Umsatzes.

Eine Kette hat bekanntlich mehrere Glieder und das neue Gesetz berücksichtigt das, denn “die Sorgfaltspflichten der Unternehmen erstrecken sich grundsätzlich auf die gesamte Lieferkette – vom Rohstoff bis zum fertigen Verkaufsprodukt”, wie die Bundesregierung konstatierte. Wie konkret sich das niederschlagen wird, lässt sich noch nicht sagen, denn “die Verantwortung der Unternehmen soll sich nach dem Willen der Regierung künftig auf die gesamte Lieferkette erstrecken, abgestuft nach den Einflussmöglichkeiten. Die Pflichten sollen durch die Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber ihren unmittelbaren Zulieferern umgesetzt werden. Mittelbare Zulieferer sollen ebenfalls einbezogen werden, sobald das Unternehmen von Menschenrechtsverletzungen auf dieser Ebene ‘substantiierte Kenntnis’ erhält”, wie der Bundestag verlautbarte.

Buy local: Kurze Ketten sind im Trend

Wie sich das Lieferkettensorgfaltsgesetz auswirken wird, wird die Zukunft zeigen. Grundsätzlich jedoch gilt schon jetzt: Je kürzer der Weg von der Produktionsstätte zum Kunden ist, desto besser. So lassen sich Umwelt- und Menschenrechtsstandards am ehesten gewährleisten und je weniger Kilometer Ware zurücklegen muss vom Produzenten zum Kunden, desto besser ist die Ökobilanz des Produkts. Und das goutiert auch der/ die Konsument/ in laut der Capgemini-Studie, wonach “mehr als die Hälfte der Befragten (64 Prozent der Deutschen, 68 Prozent international) zunehmend lokale Produkte” erwägt, “die sie für sicherer und nachhaltiger halten.”

 

Im nächsten Artikel erfahren Sie, wie wir die Lieferketten unserer Lieferanten Stück für Stück prüfen und dabei die Produkte für unsere Kunden und die Umwelt nachhaltiger machen.


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Nachhaltige Lieferketten

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